von PD Dr. med. Peter Willeke, Uni Münster 2002

Bezüglich der Therapie des Sjögren Syndroms lassen sich nur wenige Aussagen machen, die sich auf die Ergebnisse großer Studien stützt.

Dies liegt daran, das die Studienlage bei dieser Erkrankung äußerst dürftig ist. Aus der geringen Datenlage lassen sich nicht immer hinreichende Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit einer Substanz ziehen. Die wenigen Studien die zur Verfügung stehen wurden meistens nur an wenigen Patienten durchgeführt. Die Studien mit der größten Aussagefähigkeit (sog. Doppelblindstudien) sind nur vereinzelt durchgeführt worden. Dies sind Studien bei der ein Teil der Patienten das wahre Medikament erhält und ein anderer Teil der Patienten ein sog. Placebo (also ein Scheinmedikament) erhält ohne Wirkstoff. Weder der Arzt noch der Patient weiß ob er Plazebo oder das eigentliche Medikament erhält (daher Doppelblind). Die Aussagekraft von kleineren Studien wird dadurch verringert, da das Patientenkollektiv unterschiedlich ist, je nach Diagnosekriterien. Im Laufe der Zeit wurden unterschiedliche Kriterien für die Diagnose der Erkrankung entwickelt. Die Diagnose wird bei uns nach den Vorschlägen einer Europäischen Studiengruppe erstellt. Die erweiterten und akzeptiertesten Diagnosekriterien fordern entweder eine positive Lippenbiopsie oder das Vorhandensein von Ro-Antikörpern.

Die Behandlung des Sjögren Syndroms kann zum einen lokal erfolgen (Ausgleich des Mangels durch künstl. Ersatz, lokale Entzündungshemmung, Schmerzlinderung) oder sie kann systemisch erfolgen (Stimulation der Rezeptoren (M3) zur Sekretion, Immunmodulierend, schmerzlindern, muskelrelaxierend).

An lokale Behandlungsmaßnahmen sind zu nennen:

1) Auge: Tränenersatzflüssigkeit, Augensalben, Verschluss der ableitenden Tränenwege, lokale Entzündungshemmung: Steroide, NSAR, Cyclosporin A, Interferon-gamma (INF-y)

2) Mund: künstlicher Speichel, Mund-Gel, Pastillen, Bonbons, lokale Entzündungshemmung: INF-y Pastillen

An systemische Therapiemöglichkeiten ist zu nennen:
1) stimulieren: Pilocarpin (Salagen®), Cevimelin (neu, selektiver, längere HWZ), Bromhexin (Bisolvon®): Verändert die Konsistenz des Speichels.

2) Immunmodulieren: Hydroxychloroquin (Quensyl®), Azathioprin (Imurek®), Cortison. Andere Immunmodulatoren: MMF (Cellcept®), Leflunomid (Arava®), MTX (Lantarel®)

Pilocarpin (Salagen® wurde ursprünglich aus einer Pflanze isoliert (Pilocarpus jaborandus). Es aktiviert das parasympathische Nervensystem und führt somit zu einer Stimulation der Drüsen. Pilocarpin entfaltet eine vergleichbare Wirkung wie Acetylcholin (ein Überträgerstoff des vegetativen bzw. parasympatischen Nervensystems). Neben der Stimulation der Tränen- und Speicheldrüsen kommt es leider auch zu einer Stimulation weiterer Zielorgane des parasympatischen Nervensystems. Dies kann die häufigen Nebenwirkungen dieser Substanzen erklären. Zu den Nebenwirkungen gehört vermehrtes Schwitzen, Übelkeit, Herzrasen, Schnupfen oder Durchfall,
Die Studienergebnisse zeigen eine deutliche Steigerung der Speichel und Tränensekretion bei Patienten mit einem Sjögren Syndrom. Vergleichbare Wirkungen und Nebenwirkungen zeigen sich bei der Substanz Civemelin. Das neuere Präparat scheint jedoch möglicherweise eine höhere Selektivität für die geschädigten Rezeptoren zu haben und besitzt eine längere Halbwertzeit HWZ (5,7h). Das Präparat ist bisher nur in den USA zugelassen.

In den folgenden Abschnitten soll eine Übersicht über die einzelnen systemisch wirkenden Basismedikamente gegeben werden.

1. Hydroxychloroqin (Quensyl®).

In einer größeren retrospektive Studie (Fox 1996) mit 50 Patienten konnte gezeigt werden, dass es durch Quensil® zu einer Verbesserung der lokalen (Schmerzen der Augen und Mund) sowie der systemischen Befunde (Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen) kommt. Des weiteren wurde eine Verbesserung des Speichelflusses sowie ein Rückgang der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) aufgezeigt. Zu einem Rückgang der Immunglobuline kam es nicht.

In einer sog. Doppelblindstudie (Kruize 1993): an 19 Patienten zeigte sich kein signifikanter klinischer Effekt. Im Gegensatz dazu kam es jedoch zu einem nachweisbaren Rückgang der BSG sowie der Immunglobuline.

2. Azathioprin (Imurek):

Obwohl das Präparat im allgemeinen bei einem Sjögren Syndrom mit vermehrter Organbeteiligung angewandt wird ist die Studienlage hierüber eher dürftig. Es gibt bisher erst eine Doppelblind-Studie mit 25 Patienten. Hierbei zeigte sich kein wesentlicher Effekt auf Klinik oder Laborparameter.

3. Cortison

Auch über die Anwendung von Kortison im Rahmen eines primären Sjögren Syndroms gibt es bisher wenig Studien. In einer offenen Studie von Miyakawa 1999 zeigte sich unter der Gabe von Prednisolon 5-7,5 mg ein "wertvoller klinischer Effekt mit einer Zunahme der Speichelproduktion sowie einer Abnahme der Antikörper. Hinsichtlich Kortison sollte darauf geachtet werden, dass die Einnahme zeitlich begrenzt sein sollte. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehört seit längerer Einnahme die Entwicklung eines Diiabetes mellitus, einer Osteoporose, eines Blutdruckanstieges oder eines grünen Stars. Insbesondere bei Sjögren Patienten kann es zu einer Zunahme von Karies sowie vermehrter Candida-Infektionen im Mundraum kommen.

4. Nicht-steroidale-Antirheumatika (NSAR):

Diese Gruppe von Präparaten wird zur Behandlung von lokalen und systemischen Beschwerden im Rahmen der Erkrankung angewendet. Diese Medikamente werden insbesondere bei den verschiedenen Formen der Gelenkschmerzen und Gelenkentzündungen angewendet. Man unterscheidet zwei Gruppen von NSAR. Zum einen die sog. nicht selektiven NSAR, wie z.B. Diclofenac (z.B. Voltaren®), Ibuprofen (z.B. Ibuhexal®). Welche vermehrt zu Unverträglichkeiten bis hin zum Magengeschwür führen. Die Substanzen dieser Gruppe zeigen jedoch eine häufig sehr gute Schmerzlinderung. Die sog. selektiven NSAR (COX-II), wie Vioxx® oder Celebrex® zeigen weniger Nebenwirkungen am Magen. Die Schmerzlinderung hierunter wird jedoch unterschiedlich beurteilt.


5. Neue Therapien

a) Interferon-alpha:

Erste Studien mit Interferon alpha wurden bereits 1993 durchgeführt. Eine Gabe über 3 Monate zeigte an 6 Patienten eine Verbesserung des Speichelflusses. Auch in einer Doppelblind-Studie mit lokaler Anwendung von 150 Einheiten zeigte sich eine Verbesserung des Speichelflusses.

b) Methotrexat:

Das am häufigsten eingenommene Basismedikament zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis wurde von Skopouli erstmals 1996 zur Therapie des primären Sjögren Syndroms angewandt. In der Studie an 17 Patienten konnte eine Reduktion der Gelenkschmerzen angezeigt werden. Eine Veränderung der Laborparameter oder eine Verbesserung der Speichel- und Tränenproduktion konnte dagegen nicht angezeigt werden.

c) TNF-alpha Blocker:

Dies ist die derzeit effektivste Medikamentengruppe zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Eine erste Studie an 16 Patienten wurde im Jahre 2001 veröffentlicht. Es wurde hierbei die gleiche Dosis wie bei der rheumatoiden Arthritis gewählt. Die Behandlung erfolgte über 6 Wochen. Hierbei konnte eine Zunahme der Speichel- und Tränenproduktion, ein Rückgang der Schmerzen und Müdigkeit sowie ein Rückgang der BSG gezeigt werden. Weitere Studien bleiben abzuwarten.

d) Weitere neuere Medikamente welche erfolgreich beim Sjögren Syndrom angewandt wurden:

Zidovudin, Cellcept®, Leflunomid, Cyclosprion A (local)
 

6. Therapie sog. extraglandulärer Manifestationen:

Die Therapie des Sjögren-Syndroms sollte symptomorientiert, also je nach vorherrschenden Beschwerden erfolgen.

- Gelenkschmerzen: NSAR, Quensyl

- Nierenbeteiligung (tubuläre Azidose): Alkalisierung Natriumhydrogencarbonat, Kryoglobulinämie: Steroide, Syslophosphamid- Vaskulitiden (Gefäßentzündungen): leicht: evtl. Steroide (leukozytoklastische V.); schwer: Steroide, Cyclophos. - Nerven: schwer: Cyclophosphamid