Geschrieben von: Dr.med.Chr. Tomiak
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Fragen vom 4. Deutschen Sjögren-Tag, am 5. März 2005
in Bad Aibling, 

die von Patientinnen und Patienten aufgeschrieben,
von Marlies Thermann, Netzwerk Sjögren-Syndrom, zusammengestellt

und von Herrn Dr.med. Ch. Tomiak,
Oberarzt an der BfA Klinik Wendelstein, Bad Aibling, beantwortet wurden.

1. Frage:
Wenn bei einem primären Sjögren-Syndrom eine andere Kollagenose dazukommt (z.B. Lupus), spricht man dann noch von einem primären Sjögren-Syndrom mit einer anderen Kollagenose, oder wird es dann zu einem sekundären Sjögren-Syndrom?

Antwort:
Das ist schwer zu sagen, da bei einzelnen Kombinationen (SLE und Sjögren-Sydrom, Sclerodermie und Sjögren-Syndrom) derzeit eine „Koexistenz" zweier primärer Erkrankungen diskutiert wird. Es ist immer die Frage, ob die „zweite Kollagenose", die nach dem Sjögren-Syndrom aufgetreten ist, eindeutig belegt ist, da z.B. Lupusphänomene durchaus auch beim Sjögren-Syndrom auftreten. Meines Wissens gibt es keine epidemiologischen Daten, ob beim sekundären Sjögren-Syndrom die Kollagenose vor oder nach dem Sjögren-Symptomen aufgetreten ist. Das Risiko für Lymphome entspricht wohl dem sekundären SS, es ist wahrscheinlich nicht erhöht. Diese Aussage ist aber nicht wissenschaftlich explizit untersucht.


2. Frage:
a) Welche Symptome oder Tumormarker weisen auf ein Lymphom bei einem primären Sjögren-Syndrom hin?

b) Welche Vorsorgeuntersuchungen gibt es?
 
Antwort:
a.) Es gibt keinen zuverlässigen Tumormarker, alle „Angebote" sind eher „Krücken", die einem eine falsche Sicherheit vermitteln könnten (Rheumafaktor etc.). Bei Symptomen wie Nachtschweiß, ungewolltem Gewichtsverlust und anderen unspezifischen „Tumorsymptomen" muss sorgfältig nach bösartigen Neubildungen, speziell Lymphomen gesucht werden.

b.) Eine standardisierte Vorsorgeuntersuchung gibt es nicht. Es wird eine sorgfältige Krankengeschichte erhoben. Bei der körperlichen Untersuchung achtet man auf alle Lymphknotenstationen. Ultraschalluntersuchungen am Hals, den Speicheldrüsen oder des Bauches können hilfreich sein. Im Brustkorb lassen sich Hinweise durch eine Röntgen-Thoraxaufnahme und im Zweifel durch ein CT-Thorax erheben. Letztlich müssen verdächtige Lymphknoten entfernt und mikroskopisch untersucht werden.


3. Frage:
Wie sollen Purpura (Flecken) an den Beinen bei einem primären Sjögren-Syndrom behandelt werden?

Antwort:
Wenn keine inneren Organe beteiligt sind und keine offenen Stellen der Haut (Ulcera) entstehen, wird je nach Leidensdruck behandelt. Dies kann durch Kortisonsalben erfolgen, durch Kortisontabletten und evtl. durch Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin oder Methotrexat)


4. Frage:
Bei meinem primären Sjögren-Syndrom habe ich oft geschwollenen Finger, die aber nicht blau werden und auch nicht schmerzen. Können geschwollenen Finger Anzeichen von einer Vaskulitis sein?

Antwort:
Das klingt nicht typisch für eine Vaskulitis. Sind die Finger bis zu den Fingerspitzen geschwollen, spricht man von Wurstfingern. Bei anderen Krankheiten (z.B. Entzündungen bei Schuppenflechte) hat man herausgefunden, dass es sich um eine Mischung aus Gelenk- und Sehnenscheidenentzündungen handelt. Eine Vaskulitis an den Fingern verursacht schwarze Punkte oder offene Stellen (sogenannte Nekrosen).


5. Frage:
a) Wie weit ist Deutschland bei der Forschung des primären Sjögren-Syndroms mit ausländischen Sjögren-Zentren vernetzt?

b) Gibt es überhaupt Sjögren-Zentren?

Antwort:
a.) Das kann ich nicht genau sagen, ich nehme an, dass Kontakte bestehen.

b.) Zentren, die sich als „Sjögren-Zentren" bezeichnen, gibt es meines Wissens nicht. Sjögren-Sprechstunden bestehen an Unikliniken mit Lehrstühlen für Rheumatologie (z.B. Hannover, Erlangen, Berlin), außerdem in Münster. International sind mir das Sjögren-Syndrome Research Centre in Malmö und in Bethesda/USA bekannt.


6. Frage:
Meine Mundwinkel sind sehr oft gerissen und entzündet.Kann dies ein Zeichen von Candidabefall sein und könnte der durch Einnahme von Cortison therapiert werden?

Antwort:
Es könnte sich um Candida handeln. Dies lässt sich evtl. durch einen Abstrich klären. Die adäquate Therapie ist ein Anti-Pilzmittel (z.B. Nystatin). Kortison erhöht die Gefahr von Pilzinfektionen und ist zur Behandlung eines Pilzbefalls der Mundschleimhaut nicht sinnvoll.


7. Frage:
Wird es in näherer oder weiterer Zukunft ein Medikament geben, das die Krankheit Sjögren-Syndrom zum Stillstand bringt?

Antwort:
Dies ist derzeit nicht absehbar. Gut behandelbar sind Organbeteiligungen, die Trockenheitssymptome lassen sich durch die bisherigen Therapien nur schlecht „zum Stillstand bringen".


8. Frage:
Die Rheumatologen werden durch das neue Heft der „Aktuellen Rheumatologie"mit dem Schwerpunkt Sjögren-Syndrom über das Krankheitsbild informiert. Die anderen Ärzte,wie HNO-, Augen-, Zahn- und Hautärzte,die ebenfalls mit dem Kranheitsbild zu tun haben, sollten diese nicht durch einen Artikel auf dies Sonderheft im Deutschen Ärzteblatt hingewiesen werden?

Antwort:
Das wäre sicherlich sinnvoll, ich glaube aber nicht, dass diese Fachärzte eine rheumatologische Fachzeitschrift wirklich konsequent lesen würden (außer bei außergewöhnlichem Interesse).


9. Frage:
Wie kann ich ein Fortschreiten meiner Polyneuropathie in eineZNS-Beteiligung erkennen und welchen Untersuchungen müssen bei einem Verdacht durchgeführt werden?

Antwort:
Bei Verdacht erfolgt eine Untersuchung beim Neurologen (körperliche Untersuchung mit Prüfung des Gefühls und der Reflexe, Stimmgabetest, Messung der Nervenleitgeschwindigkeit = NLG, Kernspintomographie des Gehirns und Untersuchung des Nervenwasser = Liquor). Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Befunde und kann eine starke Immunsuppression oder „nur" eine Schmerztherapie umfassen.


10. Frage:
Ist eine Lymphdrainage bei einer längeren Schwellung eines Lymphknotens neben der Parotis sinnvoll?

Antwort:
Prinzipiell nein, außer es besteht ein Lymphödem im Gesicht. Bevor eine solche Therapie begonnen wird, muss unbedingt ausgeschlossen sein, dass der Lymphknoten „bösartig ist".


11. Frage:
Bei meinen primären Sjögren-Syndrom leide ich häufig an Oberbauchbeschwerden. Welche Werte geben Aufschluss auf eine Pankreasbeteiligung?

Antwort:
Lipase und Amylase im Blut können einen gewissen Hinweis geben, ob eine akute Entzündung vorliegt. Über die Funktion gibt die Elastase im Stuhl (Verdauungssekret) und das Blutzuckertagesprofil (Insulinproduktion) Auskunft.


12. Frage:
Bei meinem Sjögren-Syndrom habe ich seit zwei Jahren erhöhte Calciumwerte im Blut.

Ich soll somit keine Calciumpräparate einnehmen.Da ich aber Cortison einnehmen muß, habe ich Angst wegen einer Osteoporose.Gibt es ein anderes Mittel zum Stop einer Osteoporose?

Antwort:
Der erhöhte Calciumspiegel sollte durch einen Endokrinologen abgeklärt werden. Es muss ausgeschlossen werden, dass es sich um eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen handelt. Die Überfunktion kann ihrerseits zu einer Osteoporose führen und muss ggf. behandelt werden. Alle Osteoporosemedikamenten zielen auf eine Erhöhung der Calciumversorgung ab. Einzig Fluoride könnten in Erwägung gezogen werden, sind aber sehr umstritten und meiner Meinung nach letztlich nicht ausreichend für die Behandlung einer eindeutigen Osteoporose.


13. Frage:
Wie kann eine Beteiligung des peripheren Nervensystems beim primären Sjögren-Syndrom behandelt werden? (außer der Medikation von Carbamazepin oder Gabapentin)

Antwort:
Dies ist eine schwierige Frage! Nur wenn eindeutig eine erhöhte Entzündungsaktivität besteht, macht eine immunsuppressive Therapie (z.B. mit Azathioprin) Sinn. Häufig kann auch dadurch eine PNP nicht vollständig gebessert werden. Letztlich bleibt bei den meisten Patienten eine Schmerztherapie mit den genannten Medikamenten. Eine neue Studie hat gezeigt, dass Morphium in Kombination mit Gabapentin besser wirkt als die Einzelpräparate bei ausgeprägten Schmerzen.


14. Frage:
Wie äußert sich eine autonome kardiovaskuläre Neuropathie beim Sjögren-Syndrom?

Antwort:
Das Spektrum ist vielfältig: Ohnmachtsanfälle (Synkopen), Schwindel, Herzrasen, inadäquater Pulsanstieg bei Belastung, Rhythmusstörungen mit zu schnellem oder zu langsamem Herzschlag könnten z.B. auftreten. Insbesondere Lagewechsel (rasches Aufstehen aus dem Liegen) können Schwindelsymptome verursachen. Die Kipptischuntersuchung und das Langzeit-Ekg sind wichtige Untersuchungsmethoden.


15. Frage:
Wie wird eine interstitielle Nephritis bei einem primären Sjögren-Syndrom behandelt?

Antwort:
Je nach dem, ob dabei Funktionsstörungen der Niere auftreten. Liegt diese nicht vor, wird u.U. ein erhöhter Blutdruck konsequent behandelt, wird vermehrt Eiweiß ausgeschieden, gibt man einen ACE-Hemmer oder einen sogen. AT-1-Rezeptorantagonisten. Lässt sich eine floride Entzündung und ein Fortschreiten nachweisen (Nierenbiopsie), ist evtl. eine immunsuppressive Therapie angezeigt.


16. Frage:
a) Wie macht sich eine Lungenbeteiligung beim primären Sjögren-Syndrom bemerkbar?

b) Welche Untersuchungen und in welcher Reihenfolge müssen bei einem Verdacht durchgeführt werden und von welchem Arzt?

Antwort:
a.) Atemnot ist das häufigste Symptom, dazu eingeschränkte Belastbarkeit, evtl. Fieber. Husten, insbesondere trockener Husten wird in der Regel durch trockene Schleimhaut der Bronchien verursacht.

b.) Lungenfunktion mit Diffusionskapazität (Bodyplethysmographie), Röntgen-Thorax, Thorax-CT; manchmal kann eine Spiegelung der Bronchien (Bronchoskopie) mit Biospie (Probenentnahme) notwendig sein.


17. Frage:
Sollte gegen das Fortschreiten einer Polyneuropatie beim Sjögren-Syndrom eine immunsuppressive Therapie erfolgen?

Antwort:
Siehe Frage 13.