Prof. Dr. med Brewitt, 2003
Augenklinik der medizinischen Hochschule Hannover

Sjögren-Syndrom: Befunde und Behandlung der Augentrockenheit?

Das Trockenes Auge" ist eine weltweit verbreitete Erkrankung der Augenoberfläche, die durch eine Verminderung der Tränenmenge, durch eine veränderte Zusammensetzung oder verstärkte Verdunstung des Tränenfilms hervorgerufen wird. Dabei werden die natürlichen Funktionen und Schutzmechanismen des äußeren Auges erheblich beeinträchtigt. Trockene Augen gibt es bei einer Vielzahl von Augenerkrankungen und Allgemeinleiden, so auch dem Sjögren-Syndrom.

Welche Symptome sind richtungsweisend für ein Trockenes Auge?

Augenrötung, Fremdkörpergefühl, Kratzen, Brennen, Lichtempfindlichkeit, müde Augen, geschwollene Augenlider, Probleme am Bildschirm, Schmerzen in trockener oder rauchiger Luft und vieles mehr können Ausdruck eines veränderten Tränenfilms, also des Trockenen Auges sein. Aber auch Augentränen kann paradoxerweise infolge verstärkter Verdunstung des Tränenfilmes mit Reizung der Augenoberfläche stattfinden. Diese Beschwerden treten dann vorwiegend bei Wind oder Klimaanlagen auf.

Der instabile Tränenfilm, der aus Schleim, wässriger Flüssigkeit und Fettanteilen besteht, ist also das Symptom des trockenen Auges, die Ursachen dafür sind vielfältig.

Wozu dient der Tränenfilm?

Der gesunde Tränenfilm benetzt die Augenoberfläche und ermöglicht so ein beschwerdefreies Sehen. Eine ausgetrocknete Augenoberfläche wird wund und undurchsichtig. Der Tränenfilm enthält keimtötende Substanzen und schützt so vor Infektion. Von besonderer Bedeutung ist er für die Versorgung unserer durchsichtigen Hornhaut mit Sauerstoff. Dieser Sauerstoff wird direkt aus der Luft bezogen und über den Tränenfilm an die Hornhaut transportiert. Die Hornhaut besitzt normalerweise nämlich keine Blutgefäße, in denen sonst Sauerstoff transportiert wird, um unser Sehen nicht zu stören. Ist also der Tränenfilm gestört, so fehlt Sauerstoff ,und die Hornhaut muss über die Bindehautblutgefäße in einer Art Notprogramm mit Sauerstoff versorgt werden. Deshalb sind die Augen rot und die Augenlider geschwollen, bei vielen Menschen bereits morgens, da über Nacht ebenfalls kein Sauerstoff aus der Luft aufgenommen wird (geschlossene Lider während des Schlafes).

Wodurch kann ein Trockenes Auge entstehen?

Die Tränenproduktion wird auf sehr komplizierte Weise neurovegetativ gesteuert. So unterliegt sie bereits beim Gesunden erheblichen Tagesschwankungen. So nimmt der Tränenfluss normalerweise gegen Abend ab, wir werden müde - „das Sandmännchen" kommt. Die Tränenproduktion wird auch im Alter geringer. Viele Allgemeinerkrankungen, z.B. Hauterkrankungen, Zuckerkrankheit, Schilddrüsenerkrankungen, Rheuma oder das Sjögren-Syndrom gehen mit Trockenem Auge einher. Auch Medikamente, z.B. Betablocker, Schlafmittel, Psychopharmaka und Antiallergika, beeinflussen die Tränenproduktion. Umwelteinflüsse, Heizungsluft, Klimaanlagen oder Autogebläse beeinträchtigen den Tränenfilm und führen oftmals zu verstärkter Verdunstung. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass nicht nur das Trockene Auge im Rahmen des Sjögren-Syndroms, sondern auch das altersbedingte Trockene Auge auf immunologisch mediierte entzündliche Veränderungen zurückzuführen ist. Insbesondere eine Verminderung der männlichen Hormone (Androgene) scheint über einen Einfluss auf sog. Zytokine den Entzündungsprozess in Tränendrüsen und Augenoberfläche zu verstärken. Androgene könnten somit einen Schutzfaktor gegen Trockene Augen darstellen.

Wie diagnostiziert der Augenarzt ein Trockenes Auge?

Wichtig sind Vorgeschichte und Symptome des Patienten (siehe oben). Weiterhin kann er die Menge und die Zusammensetzung des Tränenfilmes messen.

Mit Hilfe der Spaltlampe, einem besonderen Mikroskop, kann er im Detail kleinste Schäden auf der Augenoberfläche erkennen. Farbstoffe können in manchen Fällen hilfreich sein.

Wie wird das Trockene Auge behandelt?

Nur sehr selten können die Ursachen des Trockenen Auges behandelt werden. Sind sie offensichtlich, wie z.B. bei Liderkrankungen oder Allgemeinerkrankungen, so sollten diese adäquat therapiert werden. Bei Sjögren-Syndrom muß selbstverständlich das Grundleiden behandelt werden.

Tränenmangel
In der Regel wird das Trockene Auge mit "künstlichen Tränen" behandelt. Es gibt wässrige (niedrigvisköse) Tropfen und festere (hochvisköse) Gele. Welches der zahlreichen Präparate mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Konsistenz im Einzelfalle vorteilhaft ist, muss Ihr Augenarzt entscheiden. Wichtig ist Ihr Wohlbefinden.

Konservierungsmittel schädigen dosisabhängig Tränenfilm und Augenoberfläche. Bei einer Tropffrquenz von mehr als 4 mal täglich und/oder vorhandenen Schäden der Augenoberfläche (in der Regel bei Sjögren-Syndrom) sollten unkonservierte Produkte eingesetzt werden. Sie sind immer die bessere Therapieform.

Gefäßverengende Tropfen haben am Auge nichts zu suchen! Sie verstärken die Trockenheit und den Sauerstoffmangel.

Es besteht die Möglichkeit, die verfügbare Tränenmenge zu erhöhen, indem man die Tränenabflusskanälchen verschließt, z. B. durch Plastikstöpsel.

Bei nachgewiesenem Mangel an wässeriger Tränenmenge kann zusätzlich versucht werden, die Tränensekretion anzuregen:

1. Eloisin® - Augentropfen ( Eledoisin, Firma Alcon-Cusi, Spanien, über internationale Apotheke zu beziehen ), die 3 x täglich über ca. 4 Wochen angewendet werden sollten, ehe von Erfolg oder Misserfolg gesprochen werden kann. Leider brennen diese Tropfen etwas.

2. Salagen® - Tabletten ( Pilocarpin, Firma Novartis ) zur Förderung der Tränen- und Speichelsekretion. Wegen der Nebenwirkungen nur in Zusammenarbeit mit Ihrem Internisten anwenden.

Erhöhte Verdunstung des Tränenfilms:

Liegt allein oder zusätzlich auch eine erhöhte Verdunstung des Tränenfilms vor, so ist die Nutzung eines anatomisch angepassten Seitenschutzes ( feuchte Kammer ) sinnvoll. So können auch Umwelteinflüsse weniger ans Auge gelangen.

Ergänzende Maßnahmen:

Warme Kompressen - auf die Lider gelegt - können neben einem Wohlgefühl auch die unzureichende Fettproduktion anregen. Der Fettanteil kann so besser über den Tränenfilm spreiten.

Bei Kosmetikprodukten sollten deklarierte, reizarme Produkte genutzt werden. Wimperntusche sollte wasserlöslich sein. Auch Nagellack kann reizende Stoffe enthalten und so bei Augenreiben die Region irritieren.

Neue Therapieansätze:

Viele auslösende Erkrankungen für ein Trockenes Auge sind immunogen-entzündlicher Ursache. Derartige Entzündungsprozesse spielen wohl auch beim Trockenen Auge in Tränendrüsen und Augenoberfläche eine Rolle. So werden am Auge auch Cyclosporin - Augentropfen oder Androgen - Augentropfen (siehe oben) versuchsweise bei Trockenem Auge eingesetzt (derzeit noch nicht in Deutschland im Handel). Es wird sich erst langfristig der Stellenwert dieser Therapieform zeigen.

Wichtig ist in jedem Falle eine konsequente Therapie und augenärztliche Kontrolle.